Sammlungen des Norwegischen Telekommunikationsmuseums in Sørvågen

8392 Sørvågen. Tel. (+47) 76 09 14 88


"Torsk"*, Telegraf und Telefon

135 Jahre Telegrafen- und Funkstation Sørvågen

Es mag schon verwundern, daß die Telekommunikation in Norwegen, diesem steinigen Land am Rande Europas, so gut ausgebaut ist. Und die Frage ist berechtigt, warum ausgerechnet in Sørvågen auf den Westlofoten sehr wichtige Kapitel der Geschichte des norwegischen und europäischen Fernmelde-
wesens geschrieben wurden. Oder bietet gerade die wilde, alles andere als einfach zugängliche Felsland-schaft die Erklärung dafür, daß Norwegen auf diesem Gebiet heute weltweit zu den führenden Ländern zählt?

Die Telegrafenstation Sørvågen und Sørvågen Radio haben in der 150jährigen Geschichte des norwegischen Fernmeldewesens fast von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt.

(Sørvågen Radio, 27.5.1930. Foto: Wilse. Norwegisches Volksmuseum)

Warum die Lofoten – warum Sørvågen?

Jeden Winter wurde auf den Lofoten Fisch im Wert von Millionen von Kronen gefangen. Der Lofotfischfang war eines der wichtigsten wirtschaftlichen Ereig-nisse in ganz Norwegen. Man war überzeugt, daß auch der Staat von einem Telegrafen- und Telefon-
dienst auf den Lofoten profitieren würde.
Zerklüftete Felsen und starke Meeresströmungen machten eine Verlängerung der Leitungen von Sørvågen zur Lofotspitze und nach Røst und Værøy unmöglich. So wurde Sørvågen als Standort für die Erprobung mehrerer neuer Erfindungen ausersehen.

Der erste Fischereitelegraf Norwegens – 1861

Im Jahre 1859 schreibt General-postdirektor Motzfeldt in seinem Bericht über den Lofotfischfang, daß die Erlöse etwa 25 % höher sein könnten, wenn eine Telegra-fenleitung zu den Fischerdörfern gebaut würde. Das norwegische Parlament bewilligte daraufhin die erforderlichen Mittel, und die Verbindung wurde 1861 in Betrieb genommen.
Diese erste Telegrafenleitung war zwar nicht an das Hauptnetz ange-schlossen, umfaßte aber trotzdem Seekabel und Überlandleitungen mit 170 km Länge. 9 Fischerdörfer standen jetzt miteinander in telegrafischer Verbindung: Skrova, Brettesnes, Svolvær, Ørsvåg (ab 1862 Kabelvåg), Henningsvær, Steine, Ballstad, Reine und Sørvågen. Die Telegrafenstationen waren nur während der Fischerei-saison (Januar – April) geöffnet. 1868 erfolgte der Anschluß an das Hauptnetz, und ab 1873 war die Telegrafenstation Sørvågen ganzjährig erreichbar.
So brachte der Lofotfischfang mehr ein – für die Fischer, für die Kauf-leute und für den Staat. Und in den Fischerorten wurden neue Arbeits-plätze geschaffen. Jetzt konnte man die Boote, die Köder für die Langleinen an Bord hatten, schnell dorthin dirigieren, wo die Ladung am meisten gebraucht wurde. Man konnte Nachrichten über die besten Fischgründe verbreiten. Wetterbe-richte und Sturmwarnungen erreichten die Fischer, bevor es zu spät war.


Der erste drahtlose Tele-graf Nordeuropas – 1906

Die Stange war 50 m hoch. Einer der Arbeiter kletterte hinauf und legte sich oben auf den Bauch. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Das Herz schlug uns bis zum Hals.? Dies erzählte Hjørdis Lie, eine ältere Frau in Sørvågen.
Wir haben einen zeitlichen Sprung ins Jahr 1903 gemacht. Auf der Anhöhe Lillehaugen in Sørvågen war ein großer, aus mehreren Fichtenstämmen zusammengesetzter Mast errichtet worden. Mit 28 Abspannseilen war er gesichert. Ähnliche Masten wurden auch auf Værøy und Røst aufgestellt. Die zweite feste, mit einem Funken-sender ausgestattete Telegrafen-
station der Welt nahm ihren Probebetrieb auf. Würde es gelingen, ohne ein einziges Seekabel über den gefürchteten Moskstraumen hinweg zu telegrafieren? Vier Jahre zuvor (1899) hatte der italienische Ingenieur und Physiker G. Marconi Experimente mit der drahtlosen Überbrückung des Ärmelkanals an-gestellt. Die Fischer und die Grund-
besitzer auf den Westlofoten sahen sofort, welche Bedeutung dieser ?Drahtlose? für die Fischerei haben würde.

Freude auf Røst – und eine lange Ruderpartie

übernachtete bei Grundbesitzer Nils Arntzen, prüfte alle Vorausset-zungen und verließ den Ort in der Gewißheit, daß es möglich sein würde, Røst und Værøy drahtlos mit Sørvågen und damit ganz Norwegen zu verbinden. Für die Erprobung bewilligte das Parla-ment 15.000 Kronen.
Der Probebetrieb im Jahr 1903 übertraf alle Erwartungen. Es heißt, daß ein Mann 60 km durch gefährliches Fahrwasser ruderte, um die Erfolgsmeldung nach Sørvågen zu bringen: die Signale aus Sørvågen hatten die gefürchteten Lofotberge und den Mahlstrom passiert und waren auf Røst angekommen.

Am 1. Mai 1906 konnte die drahtlose Verbindung von Sørvågen nach Røst offiziell eröffnet werden – es war der erste drahtlose Funkentelegraf Nordeuropas. Die Italiener hatten den ihren im Jahr davor in Betrieb genommen, so wurde Sørvågen weltweit wenigstens Nr. 2.

Unwetter und Krieg – eine Schwachstelle: die Masten

Schon vor der offiziellen Inbetrieb-nahme wurden die Masten bei einem Unwetter beschädigt. Die Spitze des Røst-Mastes knickte am 6. Februar 1906 ab. Am 8. März brach der Mast erneut, und am 11. April verlor der Sørvågen-Mast sein oberstes Stück. Der 1914 errichtete neue Eisenmast in Sørvågen ging 1925 zu Boden.

Im Zweiten Weltkrieg war Sørvågen Radio ein sehr wichtiges Glied im Fernmeldesystem der
deutschen Besatzer. Am 2. Weih-nachtstag 1941 wurde der Mast von einem englischen Sabotagetrupp in die Luft gesprengt.

Der deutsche Kaiser – Verbindung zur See – 1908

"Ich kann mich erinnern, daß die ?Hohenzollern?, das Schiff von Kaiser Wilhelm, hier vor Anker lag. Wir Kinder waren gespannt. Wir gingen auf die Anhöhe hinauf und sahen ein kleines Boot mit Telegrammen kommen?, berichtete Hjørdis Lie.
Das Personal des ?Telegrafen? tat alles, um dem Kaiser den besten Dienst zu erweisen, doch alle Mühe war vergeblich.
Der Leiter des Telegrafenamtes, Herr Owre, no-
tierte folgendes im Telegramm-
protokoll
15. Juli 1906: "- haben zusätzliche Hilfe bekommen wegen Reise des deutschen Kaisers nach Süden ... für den Fall der Korrespondenz mit dem Schiff Sørvågen nicht
tören.?
16. Juli 1906: ?Gestern waren Signale vom Schiff zu hören ... einige Telegramme expediert ... Zu-stand des Netzes hier und der niedrige Mast machten Einstellungen äußerst schwierig. Bedaure den falschen Eindruck, den dies von Anlage und Personal erwecken kann.?.
12. Juli 1907:
?Von 6 h früh bis 10.15 h wird ?Hohenzol-lern? angerufen, ohne daß wir gehört werden. Vom Schiff hört man zehnmal, daß Sørvågen angerufen wird und zweimal Røst.? Sørvågen hatte also keine Verbindung zum kaiserlichen Schiff. Dies war nicht gerade rühmlich für das junge Norwegen.
Der Kaiser leitete nicht nur den Strom deutscher Touristen zu den Lofoten ein. Ihm ist es auch zu verdanken, daß die Telegrafenstation in Sørvågen schon am 1. Juli 1908 die drahtlose Verbindung zu Schiffen auf See ermöglichte – als erste Station in Norwegen.

Der Verkehr nimmt zu

Der Telegraf wurde immer wichtiger für die Fischer. Um 1910 wurden von Sørvågen in der Saison mehr als 500 Telegramme täglich vermittelt. In der übrigen Zeit des Jahres gab es natürlich wesentlich weniger zu tun.
Das Gebäude der Telegrafenstation unten in Sørvågen wurde bald zu klein. 1914 konnte der Stations-leiter, Thorleif Johannessen, mit seiner Familie und allen Geräten in das neue, auch äußerlich ansprechende Telegrafengebäude ein paar hundert Meter oberhalb der alten Station einziehen.

Drahtlose Telefon-verbindung nach Hell und zum Mahlstrom – 1928

Die norwegische Fernmeldever-waltung Televerket schaffte 1919 die ersten Apparate für die draht-lose Telefonie (Funktelefonie) an. Das Leitungstelefon bekam damit einen Konkurrenten – so wie es beim Leitungstelegrafen und dem (drahtlosen) Funkentelegrafen gewesen war.

Die erste Funktelefonie-Station Norwegens wurde im Anschluß an Sørvågen Radio eingerichtet. Die Funktelefoniestation Lofotodden in Helle stand ab 1928 mit Sørvågen in Verbindung. Wenige Jahre später kam Værøy - Sørvågen hinzu.
Wie man sieht, spielte Sørvågen eine wichtige Rolle in der Ge-schichte der Telekommunikation. Da stimmt es etwas wehmütig, daß man 1977-78 die Station auf automatischen Betrieb umstellen und Sørvågen Radio stilllegen mußte. Die vier Telegrafengebäude, die von 1861 bis heute benutzt wurden, und auch der 70 m hohe Funkmast sind noch in einem vergleichsweise guten Zustand erhalten. An dunklen Herbst- und Winterabenden schätzen die Bewohner das Licht am Mast.
Die Sammlungen von Sørvågen sollen im Mai 1996 als Abteilung des Norwegischen Telekommuni-kationsmuseums eröffnet werden. Dann wird man sich im Telegrafen-gebäude von 1914 (an der E 10) gut informieren können über die Ent-wicklung von Telegraf, Telefon und Funkverkehr in Norwegen.

Die Ausstellungen werden sich besonders mit den folgenden wichtigen Ereignissen beschäftigen:

  • Norwegens erster Fischereitele-graf, die ?Lofotleitung?, 1861
  • Nordeuropas erster fester draht-loser Telegraf, 1906
  • Norwegens erster fester Schiffstelegraf, 1908
  • Norwegens erste feste Funktelefonieverbindung, 1928
  • Norwegens erste feste Richtfunkverbindung, 1946

"Die Geschichte der Lofoten - ein Wegbegleiter" NOK 149,-

* Torsk = Dorsch, Kabeljau

Broschüre PDF, 408 kb


Norwegischen Telekommunikationsmuseum

Flakstad og Moskenes offisielle hjemmeside.

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